Dr. Gerhard Glüher - Vier Jungen und ein Mädchen

                                                       Vier Jungen und ein Mädchen

 

Unbeholfen und linkisch führen vier Jungen und ein Mädchen Unterhosen für die Fotografin vor. Obwohl sie als Torsi fotografiert sind, haften ihren Gesten der Hände, der Arme, ihren Beinstellungen und ihren Beugungen der Hüfte ein Verhalten an, das man als laienhaft bezeichnen kann. Den Kindern sieht man an, dass sie die Künstlerin nur für diese Fotos als „Modelle“ einsetzte. Ihre halbnackten Körper sich die Frage, ob es überhaupt Unterhosen sind? Unseren zeitgenössischen Formen der „slips“ oder „boxershorts“ entsprechen diesen Hosen nicht. An welchen Merkmalen erkennen wir diese Hosen überhaupt als Unterhosen, denn viel haben sie noch nicht einmal mit Hosen gemeinsam. Sind wir einmal ehrlich: handelt es sich nicht um peinliche, wollene Lappen, die vor vielen Jahren

 im positiven Sinn des Wortes. Um Individualität, gar um ebenso wie die Unterhemden der Männer sollten sie den Unterleib der Kinder schützen und wärmen. Sie sind auf das Wesentliche dieser Funktion beschränkte Stereotypen von Kindermode überhaupt. Das Männliche ist markiert durch ein Loch in der Vorderseite der Hose, dazu bestimmt, um den Penis zum Urinieren hindurch zu stecken, ohne die Hosen ausziehen zu müssen. Das

und die leichte Taillierung des Kleidungsstückes definiert. Sie scheint auch feiner gearbeitet und liegt stärker am Körper an, um die weiblichen Rundungen besser nach außen transportieren zu können. Durch diese absonderlichen Markierungen der Kleidungsstücke findet eine Infragestellung geschlechtlicher Rollen und ihrer Repräsentationsformen in den Konventionen der Mode statt. Ebenso „unpassend“

 wie die Hosen mühsam am Körper gehalten werden – ohne die Hilfe der Hände würden die Lappen herunter rutschen und die Kinder stünden nackt da – sind auch die Geschlechtsdeterminanten. Die Hosen sind alt aber die Fotos sind heute aufgenommen, wodurch die künstlerische Aktion als eine Inszenierung von männlichen und weiblichen Rollenvorstellungen zu verstehen ist. Somit stellt

 Frage, ob denn nicht diese viel zu großen und viel zu altmodischen Unterhosen wie unsere Rollenklischees als lächerliche Relikte der Prüderie und eines schlechten Konservativismus auf den Müllhaufen des Vergessens geworfen werden sollten.

 

Gerhard Glüher


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